Pressestimmen zum Thema Humor:


SonntagsZeitung, 15.08.2009
(ALPHA Kadermarktbeilage)

Führungsqualität Humor
Warum Chefinnen öfter scherzen sollten
Von Prof. Dr. Gesa Ziemer

Humor macht frei und Humor kämpft nicht zuletzt gegen Klischees an. Klug eingesetzt stell er eine viel versprechende Führungsstrategie im Zeitalter kultureller Vielfalt und eintöniger Gleichberechtigungs-Diskussionen dar.

Humor ist eine Waffe. Zweifelsohne. Guter Humor ist zudem eine intelligente Waffe, mit der das Gegenüber zum Lachen gebracht wird. Jemanden zum Lachen zu bringen, ist gerade in einer Führungsposition weitaus anspruchsvoller, als ihn zu kommandieren, kontrollieren oder korrigieren. Wer Humor hat, erkennt das Widrige im Alltag schnell, kann es glasklar analysieren und überraschend zum Menschlichen oder gar Liebenswerten hinwenden.

Nicht nur im Diversity Management, sondern in allen Bereichen, in denen Gruppen zu kreativer Mitarbeit motiviert werden sollen, werden zukünftige Führungsstile diskutiert. Es ist jedoch besonders anspruchsvoll, Menschen mit extrem unterschiedlichen Lebenserfahrungen zu führen. Wer kulturelle Differenz erlebt hat, weiss, wie unüberwindbar diese im Alltag scheinen kann. Und wie schwierig es ist, einen Witz zu machen, den alle auch als solchen erkennen. Der gut gemeinte Slogan «Difference makes the Culture» klingt in der Realität oft wie ein unerhörter Euphemismus.

Dennoch: Vielfalt ist weitaus interessanter als Einfalt. Und sie ist längst gesellschaftliche Realität. Was also tun, um die Widrigkeiten extrem diverser Teams produktiv zu steuern? Wie wäre es mit mehr Humor?

Die Chance auf Angreifbarkeit
In Führungspositionen werden nicht nur mehr Frauen, sondern auch mehr humorvolle Frauen benötigt. Es ist wirkungsvoll, den Effekt des Lachens hervorzurufen, wenn es darum geht, unterschiedliche Menschen zusammenzubringen. Wer lacht ist frei, freier jedenfalls als jemand, der an die dauernde Ernsthaftigkeit seiner Aussagen glaubt. Humor kombiniert Souveränität und Verletzbarkeit und schafft gerade aus diesem Paradox heraus hohe Anerkennung. Vieles andere ergibt sich dann fast von alleine. Vielleicht hätte Hillary Clinton lachend ihren Wahlkampf gewonnen. Vielleicht war Hannah Arendt gerade aufgrund ihres gnadenlosen Humors eine so brillante politische Theoretikerin und Professorin.

Humor attackiert Vorurteile
Gleichberechtigung in Führungsetagen ist heute immer noch eher gefühlt als real. Oder gibt es einen Grund dafür, dass gleich qualifizierte Frauen immer noch weniger Lohn erhalten als Männer? Weil es diesen Grund nicht gibt, müssen Frauen also immer noch kluge Waffen einsetzen. Je ernster das Thema, desto mehr Humor ist angesagt. Konkreter: Je stärker die Diskriminierung, desto lauter sollte das Lachen schallen.

Kein Humordiskurs ohne Sigmund Freud, der 1927 seinen Lieblingsscherz erzählt: Der Delinquent wird am Montag zum Galgen geführt und sagt: Na, die Woche fängt ja gut an! Freuds Fazit: Es gibt Situationen, die erwarten lassen, dass man klagt, sich ärgert oder verzweifelt. Aber man äussert keinen solche negativen Affekt, sondern macht einen Scherz im Sinne von: Sieh her, das ist unsere die Welt, die gefährlich und grausam ist. Die Situation gleicht dennoch einem Kinderspiel, gerade gut genug, um einen Scherz darüber zu machen.
Humor ist die Kunst des ersparten negativen Gefühlsaufwandes. Wer in schwierigen Momenten Humor beweist, harmonisiert keine verpatzten oder ungerechten Situationen, sondern spitzt diese in ihrer ganzen Lächerlichkeit zu. Aus diesem Grund ist weiblicher Humor keine Waffe gegen Männer, sondern gegen das hartnäckige Vorurteil, Frauen seien gefühlvoller als Männer. Ich habe nichts gegen Gefühle in Führungspositionen, so lange sie nicht nur bei den Frauen verortet werden. Das Vorurteil des weiblichen emotionalen Führungsstils zementier lange überholte Stereotypen. Ich empfehle hier das Gegenteil: Selber Lachen und andere klug zum Lachen bringen. Humor ist bissiger und viel intelligenter als emotionales Gesäusel. Humorvolle Chefinnen sind gewitzte Denkerinnen und situative Spielerinnen.

Humor zum Trotz
Keine Humorlektüre ohne Kritik an Siegmund Freud, der auch schreibt, dass Humor eine köstliche, aber doch sehr seltene Begabung weniger Menschen sei. Ich bezweifle, dass es sich bei Humorfähigkeit nur um eine Begabung handelt. Das Klischee besagt, dass Frauen keinen Humor hätten. Warum? Weil sie sich selber aufgrund von Sozialisation im Wege stehen und zu oft auf den gesparten Gefühlsaufwand verzichten. Schade, denn zu viel Gefühl zerstört Humor. Auch verständnisvolle politische Korrektheit, die oft nur dazu dient, soziale Ungerechtigkeiten zu kaschieren, verhindert Humor. Gerade komme ich von einer Hochschulveranstaltung zurück, an der beharrlich von Abteilungsleiterinnen und -leitern gesprochen wurde, obwohl alle Führungspositionen männlich besetzt waren. Da hilft nur ein Scherz. Guter Humor pointiert, anstatt zu kaschieren. Frauen wird zudem einen starker Bezug zur Realität nachgesagt, sie würden nahe am alltäglichen Leben agieren. Humor macht aber das Gegenteil: Er weist das Reale ab und erhebt uns über die Wirklichkeit hinaus, womit ein fiktives und spielerisches Moment tragend wird. Humor ist niemals resignativ, sondern trotzig - ein Kinderspiel eben, in dem dennoch viel Realität verhandelt wird. Nur ungeschonter.

Aufbrechen des Langweiligen
Sozialstudien haben lange gezeigt, dass Humorproduzenten in unserer Gesellschaft (noch) überwiegend Männer sind. Der Mächtige entscheidet, wann gescherzt wird. Und wir kennen natürlich eine Menge schlechter Scherze wie sexistische, chauvinistische und rassistische, die auf Kosten anderer gehen. Die Krux ist aber, dass Scherze genauso sein müssen, um unsere gemeine gesellschaftliche Realität zu betonen. Umso besser, wenn sie von den Protagonisten selber kommen, wenn Jüdinnen also die besten Witze über Jüdinnen erzählen. Scherzen ist immer auch Kritik und immer auch Überlebensstrategie - aber eine sehr viel intelligentere als Jammern.

In der Wissenschaft kann man beobachten, dass sich Gender- und Diversity-Studies vermehrt kreuzen. Beide Gebiete finden zu Recht im Thema der Diskriminierung zueinander. Die zwei Felder haben aber auch den Hang, sehr langweilige - weil nicht humorvolle - Wissenschaften zu sein. Sie neigen zu politischer Korrektheit, zu Gefühl und Verständnis und zu Resignation, weil sie zu real sein wollen. Beide Bereiche könnten von den drei Merkmalen des Humors profitieren: Negative Gefühlsersparnisse, Pointen und trotzige Fiktionalisierungen - vor allem, wenn sie die Basis guter Ausbildungsstätten nicht nur für weibliche Führungskräfte sein wollen.

Gesa Ziemer lehrt an der Zürcher Hochschule der Künste im Bereich Kulturtheorie und ist Studiendekanin an der HafenCity Universität Hamburg