Vorwort zum 5. Humor-Kongress

von Dr. Michael Titze


Warum macht ihr nicht erstmal einen Kongress?


Dipl.-Psych. Dr. Michael Titze
Vizepräsident HumorCare Gesellschaft für Humor in Therapie, Pflege und Beratung, Zürich
Klinischer Psychologe (BDP) Psychotherapie - Psychoanalyse
Wissenschaftlicher Koordinator des Kongresses Humor in der Therapie.
Mitglied des «Advisory Board» des «International Humor Seminar», University of Central Oklahoma, Edmond, OK 73034-0184, USA.
Mitglied des «Advisory Board» des «Humor & Health Journal», Jackson, MS 39236-6814, USA.
Michael Titze betreut auf www.humor.ch u.a. die Gelotologie-Links.

Meinen ersten Kontakt mit William F. Fry hatte ich 1983. An einem Frühsommertag erhielt ich einen Brief, handgeschrieben auf dem Papier des Golf-Clubs von Palo Alto, California, in dem er mich zur Mitarbeit an einem Buchprojekt über therapeutischen Humor einlud. Beigelegt hatte er einen Artikel aus dem Jahr 1971, in dem er sich über Forschungsergebnisse der Gelotologie äusserte. Gelotologie? Diesen Begriff hatte ich bis dahin noch nicht gehört. Die Definition fand ich schnell in Frys Artikel: «Gelotology originates from the Greek root, gelos: laughter. It is used to designate the science of laughter.» Ich war fasziniert: Präzise beschrieb Fry, wie sich ein herzhaftes Lachen auf viele Funktionen des Körpers - Herz-Kreislauf-System, Atmung, Verdauung, Körpertemperatur - auswirkt. Später sollte ich erfahren, dass er bei dieser frühen Forschungsarbeit keinerlei Unterstützung von der Stanford University, an der er als Psychiatrieprofessor lehrte, erhielt. Im Gegenteil: Von vielen seiner Kollegen wurde er als liebenswürdiger Spinner belächelt. Lachen als Gegenstand der Forschung? Das konnte doch nur ein Witz sein!

1983 hatte sich die Situation schon etwas verändert. Zumindest in den USA gab es inzwischen Fachleute (Therapeuten, Krankenpfleger, Klinik-Clowns), die das heilsame Lachen ernst zu nehmen begannen. Natürlich betraf das auch den grossen Bereich des Humors, in dem sich das Lachen - als «Humorreaktion» - entfaltet. Waleed A. Salameh, damals gerade 24 Jahre alt geworden, hatte Fry bei einem Kongress in San Francisco kennengelernt. Beim Lunch gelang es ihm, den «Vater der Gelotologie» davon zu überzeugen, einen Sammelband über Humor in der Psychotherapie herauszugeben, natürlich mit Salameh zusammen. Fry war einverstanden, und so machte sich Salameh, ein ungemein rühriger und umsichtiger Mensch, auf die Autorensuche. Wie er mir später berichtete, war es gar nicht so einfach, Psychotherapeuten zu finden, die sich zu diesem Thema äußern konnten - oder auch nur wollten. (Heute, 17 Jahre später, hat sich die Situation grundlegend geändert, wie ein Besuch in unserer Homepage http://www.humor.ch leicht zeigen kann!)

Die Zusammenarbeit mit Fry und Salameh ermutigte mich, ein kleines Büchlein zu verfassen, dem ich den Titel «Heilkraft des Humors. Therapeutische Erfahrungen mit Lachen» gab. Als es 1985 im Freiburger Herder-Verlag erschien, war mir selbst noch gar nicht bewusst, dass ich damit eine Art Weichenstellung vorgenommen hatte, die mich - sowohl beruflich als auch privat - in eine neue Richtung führen sollte. Das begann damit, dass ich von unglaublich vielen Menschen kontaktiert wurde, die sich für therapeutischen Humor interessierten. Einer davon war der Humorkonzeptionalist René Schweizer, der zusammen mit einem kreativen Industriellen das sog. Humoratorium-Konzept entwickelt hatte, das 1992 in Basel bei der INFRASTRUCTA der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Es ging um nicht weniger, als in Basel ein «Zentrum des Humors» einzurichten. Fachleute der verschiedenen humanwissenschaftlichen Richtungen, Mediziner, Künstler, Komiker und Literaten sollten, so war die Idee, hier ein Forum finden, um sich auszutauschen und für das heranbrechende 21. Jahrhundert nach Wegen zu suchen, den tehrapeutischen Humor gesellschaftlich zu nutzen. Auch damals gab es viele, die diese Idee belächelten - so wie einst William F. Frys gelotologisches Ein-Mann-Institut in Palo Alto! Doch offensichtlich war die Zeit jetzt reif für eine Paradigmenwende.

1992 war ich für einige Wochen in Kalifornien. Ich tauschte mich mit Waleed A. Salameh über die Erfahrungen mit therapeutischem Humor aus, hospitierte in San Diego in seiner Klinik, und natürlich besuchte ich auch William F. Fry in seinem Refugium Nevada City. Dort, beim abendlichen «fire chat», sprach ich das «Humoratorium» an. Fry reagierte sofort: «Warum macht ihr nicht erstmal einen Kongress?»

Die Idee war faszinierend und plausibel zugleich. Ich besprach sie nach meiner Rückkehr mit René Schweizer, der ohne zu zögern daran ging, ein Gesamtkonzept zu erarbeiten. Nachdem William F. Fry ein Jahr später auf einer Vortragsreise durch die Schweiz und Deutschland nochmals seine Unterstützung zugesagt hatte, haben wir die Messe Basel kontaktiert, deren Entscheidungsträger sofort Interesse zeigten. So konnte 3 Jahre später der 1. Internationale Kongress Humor in der Therapie im Kongresszentrum der Masse Basel starten. Aus bescheidenen Anfängen - 1996 kamen gerade mal 180 Besucher - hat sich inzwischen eine Grossveranstaltung ergeben. 1999 wurden 700 Besucher begrüsst, dieses Jahr erwarten wir eine weitere Steigerung. Dabei konnten die weltweit bekanntesten Vertreter der Gelotologie und des therapeutischen Humors hautnah erlebt werden, unter anderem Patch Adams, Michael Christensen, Paul McGhee, Rolf Hirsch, Madan Kataria, Rod Martin, Willibald Ruch, Nossrat Peseschkian Paul Watzlawick - und natürlich William F. Fry und sein Mitstreiter Waleed A. Salameh. Mit Peter Hain, dem Schweizer Pionier auf dem Gebiet therapeutischen Humors, fanden wir von Anfang an einen entschlossenen Mitstreiter.

René Schweizers unermüdlicher Tatendrang führte 1997 zur Etablierung einer eigenen Website (www.humor.ch), die eine Art Visitenkarte des Humorkongresses werden sollte. Inzwischen ist diese Website ein Forum für die vielfältigen Aktivitäten, die sich nach Art des «Schneeballsystems» um den Kongress herum entwickelt haben. Dazu gehört die Fachgesellschaft «HumorCare», die von den Programmgestaltern und einigen Referenten des Kongresses 1998 gegründet wurde und die inzwischen eine richtige Zeitschrift herausgibt. Dazu gehört ausserdem die «Humorwerkstatt Gutenberg», die der humorbegeisterte Salettinerpater Ludwig Zink aus dem Fürstentum Liechtenstein ebenfalls 1998 ins Leben rief. Ferner das Deutsche Institut für Provokative Therapie, deren Direktorin Eleonore Höfner von Anfang an mit dabei war. Dies sind nur einige der Schwerpunkte, die die Website zu bieten hat. Sie wird monatlich von mehr als 350 000 Interessierten besucht. Und um diese zu betreuen, wurde vor 2 Jahren ein eigener Verein gegründet: «humor.ch». Er wird von Roger Thiriet, Rainer Luginbühl und dem «Webmaster» Enrico Luisoni geleitet. Humor.ch versendet kostenlose Newsletter via Internet, die in deutscher und englischer Sprache verfasst sind. All diese Aktivitäten haben dazu geführt, dass Basel weltweit zu einem Synonym für therapeutischen Humor geworden ist: Die Berichterstattung in den internationalen Medien hat dies jedenfalls belegt.

William F. Fry ist natürlich sowohl bei HumorCare als auch bei humor.ch Ehrenmitglied. Kürzlich schrieb er mir: «Die Idee, den Humorkongress in Basel zu machen, war eigentlich gar nicht so schlecht. Das muss ich nachträglich sagen!»