Schweizer Kulturkonzepte:

Humor Akademie Olympia2
«Nullosophie»

«Die Nullosophie läutet ein neues Zeitalter ein».






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Artikel in der "Frankfurter Rundschau" vom Mittwoch 2. April 1997
anlässlich der Taufe das Nulltages vom Dienstag 1. April 1997
Von Dirk Altbürger

Die Nullosophie läutet ein neues Zeitalter ein.
Humor Akademie Olympia2 will Humor ernster und den Verstand weniger wichtig nehmen / Exner Ehrendoktor

Die Hessische Landeshauptstadt ist seit gestern um eine Bildungseinrichtung reicher. In der alten Erbenheimer Kirche wurde anlässlich der Taufe des «Nulltages» die Humor Akademie Olympia2 gegründet. Ehrendoktor ist der Wiesbadener Oberbürgermeister Achim Exner. Ziel der Lehranstalt ist es, die Vorherrschaft des Verstandes zu brechen und eine neue Welt zu schaffen, in der es sich lachen und leben lässt.

WIESBADEN. Achim Exner ist erster Oberbürgermeister der Nullosophie. Einen entsprechenden Orden und den dazugehörigen Oskarl„ bekam der scheidende Rathauschef gestern in der alten Erbenheimer Kirche verliehen. Drüber hinaus wurde er zum Ehrendoktor der in Wiesbaden gegründeten Humor Akademie Olympia2 ernannt. Die Verleihung der Ehrenwürde und der neu geschaffenen Auszeichnung waren gestern Höhepunkt der Taufe des «Nulltages», der nach Ansicht der Mitglieder der Humor Akademie eine neue Zeitrechnung einläuten soll. Vorläufiges Ziel dieser neuen Zählweise ist der 31. Dezember 1999. Danach, so sagte der Schweizer Humorotiker René Schweizer, solle ein Jahrtausend anbrechen, das ganz im Zeichen der wiederbelebten Nullosophie steht. Deren Anhänger haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Humor in Zukunft ernster zu nehmen und den Verstand und die Vernunft auf die Plätze zu verweisen. Um die Welt wieder in Ordnung zu bringen, müssten zunächst alle Politiker in den Baum der Erkenntniss beissen, forderte René Schweizer. Danach können der Neuanfang beginnen, und zwar am ersten Tag des nächsten Jahrtausends. Wenn Politiker heute noch immer an die Allmacht des Verstandes glaubten, sagte Schweizer, sei das

so, als ob Kinder an den Weihnachtsmann glaubten. Dass die Humorotiker, unter ihnen der Wiesbadener Humorspezialist Michael Berger, noch einen langen und steinigen Weg vor sich haben, ist ihnen durchaus bewusst. Aber schliesslich habe auch Thomas Edison 10´000 Versuche gebraucht, um endlich die Glühbirne zu erfinden, und sei zunächst von seinen Kollegen ausgelacht worden, tröstete sich René Schweizer. Nach aussen wirkender Protagonist der Nullosophie, der Kraft, die stets das Schwache will und das Starke schafft, soll Achim Exner sein. Richtig ausfüllen kann er das neue Amt wohl erst, wenn er nicht mehr auf dem Oberbürgermeister-Sessel im Rathaus sitzt. Denn die Ansprüche an ihn sind hoch. Arno Hermer forderte Exner in seiner Laudatio auf, auch in Zukunft sein freches Maul zu behalten und wie bisher noch dann etwas zu sagen, wenn es einem eigentlich die Sprache verschlägt. Der Wiesbadener Künstler rief den OB ausserdem dazu auf, weiterhin für die Erniedrigung überheblicher Bordsteine zu sorgen, unschuldige Bälle zu treten und die Ränder der Dummheitswüste zu bebauen. Und schliesslich wünschte er ihm viel Erfolg dabei, es mit sich selbst, dem Nichtstun und also mit der zukünftigen Leere aushalten zu können. Der OB, ganz würdiger Preisträger, versprach den Witz fortan wesentlich ernster zu nehmen und sein Amt als Ehrendoktor der Akademie ausüben zu wollen. Die nächste Gelegenheit dazu wird Exner am 26. Juli 1997 haben. An diesem Datum sind es noch genau 888Tage bis zum 31. Dezember 1999. In Schritten von jeweils 111 Tagen wollen die Nullosophen den nahenden Anbruch des neuen Zeitalters und damit das Ende der Verstandesherrschaft mit entsprechenden Veranstaltungen feiern. Ihre Hoffnung: dass dann nur noch wenige Normale übriggeblieben sind, denn der Umgang mit diesen Menschen, berichtete René Schweizer offenbar aus leidvoller eigener Erfahrung, sei meist recht schwierig.