Schweizer Kulturkonzepte:

Humor Akademie Olympia2
«Null-Tag»

«Normale sind anstrengend
und machen müde.»






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Artikel in der "Frankfurter Allgemeine" vom Mittwoch 2. April 1997, Nr. 76
anlässlich der Taufe das Nulltages vom Dienstag 1. April 1997
Von Anke Schipp

Normale sind anstrengend und machen müde.
Es darf gelacht werden: Michael Berger eröffnet in Wiesbaden den «Null-Tag».

Wiesbaden. Über was lacht ein Mensch? Über eine Kravatte, die aussieht wie ein gelbes Messband? Über einen Bierkrug vielleicht, der die Aufschrift trägt: «Deine Frau kommt oft schneller, als du trinken kannst»? Über Humor lässt sich so wenig streiten wie über Geschmack. Schon gar nicht, wenn einer freimütig bekennt: «Am meisten lache ich über mich selbst.» Vielleicht hievte gerade diese Aussage Oberbürgermeister Achim Exner in sein neues Amt, das er seit 1. April bekleidet. Von nun an ist er nicht nur Herr über die Bürger von Wiesbaden, er ist auch weltweit der erste «Oberbürgermeister der Nullosophie» und damit gleichzeitig «Ehrenrektor der Akademie Olympia2»; eine Institution, die am Dienstag den sogenannten «Null-Tag» in Wiesbaden-Erbenheim aus der Taufe gehoben hat und mit Vorträgen und Aktionen offiziell in der Alten Kirche gefeiert wurde. Schirmherr des «Null-Tages» ist der Wiesbadener Scherzartikel-Vertreiber Michael Berger, der also schon von Berufs wegen zum Lachen bis an sein Lebensende verdammt sein müsste. Exner nahm die bizarre Verleihung wie erwartet: mit Humor, schliesslich habe die CDU schon vor seinem Amtsantritt vermutet, dass er aus Wiesbaden ein Witzbaden mache. Nach dem 18. September widme er sich nun in seinem «selbsterwählten Exil» dem Forschungsschwerpunkt: «Wie lache ich, ohne zu verkrampfen?». Aber Humor ist ja nicht nur zum Lachen da. Das zeigten die Vorträge an diesem «Null-Tag», die mal in der Art eines Wissenschaftsreports, mal im Stile einer Büttenrede am verwaisten Altar der Kirche gehalten wurden.

Die Nullosophie sei die «Witzenschaft vom Nichtwissen», erläuterte der Humor-Theoretiker René Schweizer. Mit dem «Null-Tag» könnten die Menschen noch mal von vorne anfangen, die Uhren in dieser komplizierten Welt wieder auf Null stellen, um von nun an das Leben mit Lachen, Humor und Paradoxien zu füllen. Schweizers Forderung: «Wir wollen keine Normalen in dieser Reihe, weil der Umgang mit ihnen anstrengend und ermüdend ist.» Der Psychotherapeut Michael Titze lieferte als Gelotologe das humorwissenschaftliche Fundament für diesen Tag. Humor schaffe einen positiven Einfluss auf die Psyche und werde seit einigen Jahren auch in der Therapie von seelisch kranken Menschen benutzt. Von nun an sollten Menschen nicht mehr zur Arbeit gehen, sondern sich sagen «Ich gehe Spass haben», schlug der Spieleerfinder HolgerThiesen in seinem «Logis-Sprachprogramm» vor, das alle negativen Wörter verbannen soll.

Der Null-Tag bot ein Sammelsurium an Absurditäten und nichtsnutzigen Aktionen, wie die Begehung des Witzwanderwegs durch die Schrebergärten von Wiesbaden-Erbenheim. Auf die Suche nach einem Sinn durfte man an diesem Tag freilich nicht gehen, denn es war der Tag der «Zero-User», der Nichtsnutzer, die wissen, dass sie nichts wissen und den Ernst des Lebens spielend ertragen. Nur beim Essen der Linsensuppe, die als «Mona Linsa» im Handel erhältlich ist, hätte der Humorlose unter den Besuchern doch noch etwas anderes hinter dem «Null-Tag» wähnen können: das gut versteckte «Productplacement» für die Scherzaschenbecher, Witzekrüge und Humorschlipse im Vertrieb von Michael Berger.