Eine Rezension von Alfred Kirchmayr (Wien).

 

    SALAMEH Waleed Anthony:
    Humor in der Integrativen Kurzzeittherapie.
    Ein interaktives Übungsbuch.
    Vorwort von Michael Titze.
    Klett-Cotta, Stuttgart 2007. 256 Seiten.
    Paperpack, Euro 24.50

»ANREGUNG IST ALLES« (Goethe)

* Zur Einstimmung: Also sprach Nietzsches Zarathustra: »Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde. Und als ich meinen Teufel sah, da fand ich ihn ernst, gründlich, tief, feierlich. Es war der Geist der Schwere - durch ihn fallen alle Dinge. … Auf, lasst uns den Geist der Schwere töten«. Nietzsches Auffassung einer lebhaften Wissenschaft, einer »Fröhlichen Wissenschaft« hat ein Motto, das für das Thema Humor und Psychotherapie wegweisend ist: »Das Lachen sprach ich heilig, ihr höheren Menschen, lernt mir - lachen!«

* Zunächst einige Worte zum treuen Begleiter Salamehs, zum weisen Narren Mullah Nasruddin und seinem Esel Mirliton. Dieser gescheite Esel - und natürlich auch sein Besitzer - hat Sinn für eine fröhliche Wissenschaft. Hören Sie, geschätzte Leserinnen und Leser, auf Mirlitons weise Worte: »Stellt Fragen und bohrt so lange nach, bis ihr eine verlässliche Antwort bekommen habt. Was mich betrifft, ich möchte immer wissen, ob mein Heu frisch ist und wo es herkommt.« (S. 51)

* Aber wer ist der schelmische Autor dieses Buches? Was hat er mit dem Lachen auf dem Hut - und warum? Ist er von Nietzsches köstlicher Grunderkenntnis beseelt?: »So wenig als möglich sitzen; keinem Gedanken Glauben schenken, der nicht im Freien geboren ist und bei freier Bewegung, in dem nicht auch die Muskeln (auch die Lachmuskeln, A.K.) ein Fest feiern. Alle Vorurteile kommen aus den Eingeweiden. Das Sitzfleisch ist die Hauptsünde gegen den Heiligen Geist!«

Waleed Anthony Salameh wuchs in einem Klima auf, das durch die orientalische Tradition des Geschichtenerzählens bestimmt war. Er hatte auch eine Tante, die unermüdlich Witze erzählen konnte. Und vieles mehr. Schon als Student kam Salameh in Kontakt mit der kreativen Palo - Alto - Gruppe um Gregory Bateson. Dass alles Leben Kommunikation und Beziehung ist, Austausch und Stoffwechsel, Bewegung also, das wurde dort kreativ und listig, also nicht tierisch ernst, erforscht. Und ebendort lernte Salameh den Begründer der Gelotologie, der Lachkunde, kennen, nämlich William F. Fry.

Salameh wurde psychoanalytisch, klinisch und systemisch ausgebildet und veröffentlichte gemeinsam mit Fry seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wegweisende Werke zum therapeutischen Humor. Er gründete die »Laughers Anonymous«, betreut die 1990 gegründete Zeitschrift »Humor and Health Journal« und ist Direktor des »Humor and Health Institute« in San Diego (Kalifornien), wo unter anderem Kurse für therapeutischen Humor angeboten werden.

* Inhalt und Geist des vorliegenden Buches lassen sich mit wenigen Sätzen etwa so darstellen: Der Autor beschreibt in sieben Schritten den Prozess humortherapeutischer Interventionsmöglichkeiten. Jeder Schritt umfasst auch Lern- und Praxiselemente sowie interaktive Übungen. Ich finde es treffend, dass Salameh von »Schritten« spricht, nicht von »Kapiteln«, denn es geht darum, in Bewegung zu kommen, wie es ein chinesisches Sprichwort treffend zu Sprache bringt. »Selbst die längste Reise beginnt damit, dass du den linken Fuß vorsetzt.« Humor entsteht in Bewegung und ist Ausdruck von Bewegung.

* Michael Titze beschreibt in seiner hervorragenden Einführung (S. 9-23) die Hintergründe und Grundlinien des Denkens und Schaffens von Salameh. Aus der Verbindung der Einsichten psychodynamischer Kurzzeittherapien mit den Methoden des therapeutischen Humors entwickelte Salameh seine »Integrative Kurzzeit-Psychotherapie«, nämlich die »Integrative Short-Term-Psychotherapy« (ISTP).

Dabei erweist sich Humor als Abwehr überlistende, pointierte, lockernde, befreiende, wohlwollende und heilsame Art und Weise der Kommunikation mit und über Störungen und Blockaden auf emotionaler, kognitiver, sozialer und spiritueller Ebene. Diese ungewöhnliche Einstellung fördert das Arbeitsbündnis zwischen Therapeut/Berater und Patient/Klient und bewirkt eine Atmosphäre, in der Konflikte kreativ durchgespielt und oft auf verblüffende Weise entschärft werden können.

Salamehs ISTP ist eine ressourcennahe, aktive, kreative und tiefenpsychologisch orientierte Methode, die den Zugang zu unbewussten Kräften und unbemerkten Beziehungsmustern durch humorvolle Interventionen, treffende Metaphern und köstliche Geschichten ermöglicht und erleichtert. Die Bewusstsein erheiternden und erweiternden Strategien und Szenen bewirken immer wieder großes Lesevergnügen.

Treffend charakterisiert Michael Titze das Konzept von Salameh durch fünf Grundaspekte. Es handelt sich bei der ISTP um eine Fokaltherapie (1), in der die Übertragungsarbeit sehr aktiv und intuitiv gestaltet wird (2), wobei das affektive Erleben im Vordergrund steht (3). Alle Interventionen werden von ausgeprägter Ermutigung und Stärkung des Selbstwertgefühls begleitet (4), verbunden mit viel Sinn für die Widersprüche im Seelenleben, die durch die humorvolle Lebenseinstellung eine kreative und heilsame Integration erfahren (5). Sehen wir uns diese fünf zentralen Aspekte kurz an:

Fokaltherapie: Es kommt zu einer thematischen Zentrierung und Fokusierung eines Kernkonflikts, der in der Vergangenheit entstanden ist, sich in der Gegenwart destruktiv auswirkt und in Szenen der therapeutischen Beziehung aktualisiert und bearbeitet wird.

Aktive und intuitive Übertragungsarbeit: Der Therapeut kann durch intuitives Begreifen und Ergriffensein das Grundthema des psychischen Leidens aufspüren. So können auch in einer kurzen Therapie durch aktive Steuerung der Übertragung tiefe Einblicke ins Unbewusste gewonnen, korrigierende emotionale Erfahrungen gemacht und Lockerungen von Blockaden erreicht und angeregt werden.

Fokusierung des affektiven Erlebens: Davanloo macht den grundlegenden emotionalen Prozess durch sein »Konfliktdreieck« (S. 17) verständlich: Welche Abwehrtendenzen werden von welchen Ängsten hervorgerufen und schützen vor welchen primären Gefühlen und Bedürfnissen? Durch diese Aufmerksamkeit für zentrale Gefühle und deren Wirkung können Rationalisierungen überwunden und Widersprüche oft durch paradoxe und humorvolle Strategien aufgedeckt, integriert und entschärft werden.

Ermutigung und Stärkung des Selbstwertgefühls: Diese von Alfred Adler in genialer Weise hervorgehobenen Grundeinstellungen bilden die Basis für die therapeutische Beziehung und den Einsatz von Interventionen.

Integration von Widersprüchen: Der Sinn für die Widersprüche und Gegensätze im Seelenleben kann besonders durch Humorstrategien gefördert werden. Sowohl seelische Gesundheit als auch Humor lassen sich durch die Versöhnung mit den Widersprüchen des Lebens treffend beschreiben. Jetzt sind wir durch die ausgezeichnete Einführung durch Michael Titze bestens vorbereitet, dem Verfasser unser Ohr zu leihen.

* Salameh erklärt in seiner Einleitung (S. 25ff.) was er beabsichtigt und wie man die sieben Schritte seines Buches nachvollziehen soll. Jeder Abschnitt bietet Ratschläge für die Praxis, »Lachimpulsgeneratoren« und »Lachübungen«. Auf den Einsichten der psychodynamischen Tiefenpsychologie aufbauend, wollen die vorgestellten Theorien und innovativen Humor- und Lachtechniken der Beratung und Therapie das Wachstum und die Entfaltung der Persönlichkeit fördern helfen.

Jeder der sieben Schritte »stellt eine geschlossene Lern- und Übungseinheit« dar. Sie »umfassen das gesamte Spektrum humortherapeutischer Interventionen, von der Theorie und der Anamnese über Techniken zu Erzeugung der Humorreaktion (einschließlich Lachen) bis zum Einsatz von &Mac226;Lachtests’. Ferner wird die 'Autobiographie-Cartoons-Therapie' erörtert und die Frage beantwortet, wie man eine einstellungsbedingte Blockierung des Humors überwindet. Ausführlich wird die Abgrenzung des gesunden vom ungesunden Humor behandelt.« (S. 26)


1. Schritt: Die große Bedeutung von Humor und Lachen für Psychotherapie, Coaching und Persönlichkeitswachstum.

Salameh macht mit uns Lesern zunächst eine Bootsfahrt auf dem wachsenden Strom des Therapeutischen Humors. Während der Hauptstrom der Psychoanalyse – trotz Sigmund Freuds Sinn für Humor – viel zu viel professionellen Ernst aufweist, haben vor allem Humanistische Psychologen und die Systemtherapeuten der Palo-Alto-Gruppe die Bedeutung von Freude, Humor, Witz und Lachen für die Therapie und das Leben erkannt und benutzt.

Denn humorvolles Lachen befreit Gefühle, fördert ganzheitliche Wellness, bewirkt kreative Kommunikation, immunisiert gegen Stress und belebt alle Sinnes- und Besinnungsorgane. Wie oben erwähnt, wurden und werden in den USA diese Tendenzen vor allem durch Pioniere wie William F. Fry, Paul McGhee und Salameh vorangetrieben. Allmählich finden die komischen Gesellen Witz, Humor und Lachen als große Helfer jeglicher Psychotherapie, Beratung und Lebenskunst etwas mehr Anerkennung. Im deutschen Sprachraum ist Michael Titze, bekanntlich ein Tiefenpsychologe mit adlerianischem Akzent, die energiereiche und erfolgreiche Lokomotive für diese befreiende und kreative Bewegung.


2. Schritt: Die Integrative Kurzzeit-Psychotherapie/Humortherapie (ISTP) – ein theoretisches Modell.

Salameh versteht unter Humor sowohl eine Grundeinstellung als auch ein Methodeninventar. In der von ihm konzipierten ISTP findet der therapeutische Humor sein »theoretisches Zuhause«. Unter ISTP versteht er global »eine zeitlich befristete Beratungsarbeit zur Förderung des Persönlichkeitswachstums.« (S. 59) Diese Therapie- und Beratungsmethode wird durch drei Grundelemente charakterisiert, nämlich durch das Prozessmodell, die Arbeitshypothesen und die Beraterfaktoren.

Im Prozessmodell wird das Zusammenspiel des »archäologischen Stadiums« (Erfahrungen der Kindheit) mit dem »Hier- und Jetzt-Stadium« und dem »Subjektivierungsstadium« beschrieben. Die Konflikte und Erfahrungen der Kindheit und ihr Zusammenhang mit der aktuellen Lebens- und Problemlage werden ebenso bedacht wie das »Hier- und Jetzt« der therapeutischen Beziehung. Das emotionale Erleben und Durcharbeiten der alten und aktuellen Muster bezeichnet er als Subjektivierungsstadium. Daraus ergibt sich eine heilsame Verbindung von Integration und Aktion, die er »Integraktion« nennt. Als »Humorstadium« wird der »Gebrauch des Humors als Schmiermittel für die Maschinerie des Therapieprozesses« bezeichnet. (S. 64)

Die fünf Arbeitshypothesen bilden das zweite Grundelement für den therapeutischen Prozess: Defizite der Lebensgeschichte werden offen gelegt, aktuell wird viel Zuwendung und Anerkennung gegeben, ein realistisches Ideal wird entfalten, Stärken, Begabungen und erfreuliche Erfahrungen werden ausdrücklich beachtet und die Selbstbestimmung wird gefördert.

Die »elf Beraterfaktoren« (68) bilden das dritte Grundelement der ISTP. Dabei geht es um die Grundhaltungen und Einstellungen des Therapeuten: Achtung und Empathie, konkrete Ausdrucksweise, heilsame Konfrontation, Authentizität, Warmherzigkeit, Selbstreferenz statt starrer Abstinenz, Geduld, klare Sprache, ethische Verantwortlichkeit und natürlich Humor. Dieser ist deshalb so wichtig, weil er die Atmosphäre positiv beeinflusst, Wege zum Unbewussten erleichtert und befreiende Distanz zu Problemen fördert. Zwecks Abgrenzung zwischen heilsamen und destruktiven Formen von Humor hat Salameh eine »Ratingskala für therapeutischen Humor« entwickelt und durch Beispiele erläutert. (S. 72ff.)


3. Schritt. Die Ersteinschätzung der Problemlage

„Die Ersteinschätzung führt den Klienten in die Welt des Therapeuten ein und eröffnet dem Therapeuten einen ersten Einblick in die Welt des Klienten.« (S. 86) Sie kann mit einer geologischen Geländeaufnahme auf dem emotionalen Terrain des Klienten verglichen werden. Die Atmosphäre soll niemals durch einen »Dunst von Feierlichkeit« oder gar tierischem Ernst getrübt sein, sondern durch ein Klima der Aufmerksamkeit, Offenheit und Ermutigung bestimmt sein. Die wesentliche Aufgabe besteht darin, »das Interesse des Klienten« für das eigene vergangene, gegenwärtige und zukünftige Leben »wieder zu erwecken« und den Patienten zu ermutigen, Veränderungen in seinem Leben zu wagen.

Ermutigende Interventionen, die Stärkung des Selbstwertgefühls, die ausdrückliche Beachtung aller positiven Fähigkeiten, Leistungen und Begabungen spielen eine zentrale Rolle. Humor und Lachen sind atmosphärisch deshalb so wichtig, weil sie eine humorvolle Lebenseinstellung anregen können und bewirken, das eigene Leben in allen seinen Aspekten »mit mehr Humor, Lachen und Mitgefühl zu betrachten, denn das Leben ist zum Ernstnehmen zu ernst.« (S. 106)

Salameh erläutert dann - für meinen Geschmack allzu ausführlich und detailliert - grundlegende Interventionsstrategien und macht auf gefährliche »Falltüren« aufmerksam. Er veranschaulicht den Prozess der Ersteinschätzung durch ein wörtliches Protokoll. (S. 109-121) Weiters werden Hilfsmittel angeboten, vor allem eine etwas langatmige Checklist des Vorgehens und ein Prozessmodell-Raster zur Veranschaulichung des Therapiegeschehens. Auch Hilfestellungen bei Schwierigkeiten und Raster zur Evaluierung des Therapieeffektes werden angeboten. (S. 123-151)


4. Schritt: Die Autobiographie - Cartoons - Therapie und die Humorvideo-Therapie

Diese an sich nicht neuen Techniken im Inventar der Therapie werden von Salameh besonders gerne eingesetzt, weil sie Lachen, Lockerung und Pointierung von Problemen fördern. Im Wartezimmer von Freud lag die Erstausgabe der Cartoons von Wilhelm Busch und die »Lieblingswitz - Methode« zwecks Problemdiagnose war dem witzreichen Freud natürlich vertraut. Ähnlich wie Alfred Adler und Viktor Frankl arbeitete auch Sigmund Freud mit witzigen Metaphern und Anekdoten. Aber Salameh hat diese Techniken sozusagen perfektioniert, modernisiert und ausgeweitet. Der Einsatz von Humorvideos gibt heute neue Möglichkeiten für lachhafte Problembearbeitung.

Salamehs Klienten werden angehalten, Cartoons selber zu zeichnen, oder zu sammeln – übrigens auch Witze und anderes Material das zum Lachen und zum Nachdenken animiert. Man kann etwa Unterschriften für vorgelegte Cartoons erfinden, die Aufschlussreiches zu Tage bringen können. Dieses humorige Material lässt sich sehr gut und wirksam als Projektionstestmaterial verwenden. Auch zum Einstieg in die Gespräche und zur Aufheiterung der Problemlandschaften leisten diese Techniken gute Dienste. Sie fördern distanzierende Selbst- und Problemwahrnehmung, lockern emotionale und kognitive Blockaden, erheitern und erweitern das Bewusstsein. Sie verbessern die Beziehung zum Therapeuten, zu sich selbst und zu anderen Bezugspersonen.


5. Schritt: Humor- und Lachtechniken für Therapeuten, Berater und Klienten

Salameh beschreibt viele unterschiedliche Strategien und Techniken, die der Humorförderung dienen. (172) Begleitet werden diese anregenden Darstellungen von »Selbst - Coaching - Lachübungen« zur Pflege der Aufmerksamkeit für die Wahrnehmung von komischen Phänomenen und Auffassungsweisen. Da der Sinn für diese verschiedenen Medien und Techniken des Humors sehr individuell ist, geht es darum, die Formen zu finden und zu pflegen, die persönlich am meisten ansprechen. Für die therapeutische Verwendung von Humor gilt daher des Dichters Samuel Taylors Coleridge Ausspruch. »Zu Herzen geht, was von Herzen kommt.« (175)

Salameh spricht von der »Heiligen Dreifaltigkeit der Humorproduktion«, also von »drei Insider-Quellen des Humors und des Lachens«: das Allgemeinmenschliche, Situationen augenblicklicher Absurditäten und individuelle Eigenheiten. (S. 175) Die Entfaltung des Sinnes für Humor bedarf natürlich der Anregung und des Trainings. Und der heilsame Gebrauch von Humor, besonders in der Therapie, setzt vor allem die richtige Einschätzung von Situationen und Personen voraus. Das hat viel mit Taktgefühl und Musikalität zu tun. Nur wenn die gesamte Atmosphäre richtig eingeschätzt wird, können humorvolle Interventionen stimmig und wirksam verwendet werden.

Salameh gibt dafür vielfältige Anregungen. So könnte man eine Art »Lachtagebuch« anlegen. Alle lustigen Beobachtungen, treffenden Witze, komische Erlebnisse und Wahrnehmungen werden dort festgehalten. Dadurch fördert man nicht nur die Aufmerksamkeit für humorige Phänomene sondern man erhält auch eine Sammlung von witzig - komischen Materialien und die Lachmuskel verstauben nicht.

Er wirft dann einen kurzen Blick auf die Techniken, die Humoristisches generieren, und bezeichnet sie als die »Sexy Six« (S. 182), nämlich Übertreibung, Untertreibung, Inkongruenz, Umkehrung (Paradoxie), Wortspiele und Anthropomorphismen. Dazu werden viele Beispiele angeführt, vor allem zum Bereich der Wort- und Sprachspiele. Auch diese Darstellungen werden von »Self - Coaching - Lachübungen« begleitet, die man sich nicht entgehen lassen soll. Schließlich gibt Salameh viele konkrete Anregungen für Training und Förderung von Humor und Lachen. (190ff.) Er gibt auch eine wichtige psychohygienische Empfehlung: Nehmen Sie sich täglich für eine Lachtrainingseinheit mindestens zehn Minuten Zeit. Sie werden sehen, dass dadurch ihr Lebensfreude und Kreativität wachsen wird.


6. Schritt: Wie man mit Lachtests Humor und Lachen in die Intervention bringt

In jedem Menschen schlummert ein Humor- und Lachpotential, das geweckt werden kann, so meint Salameh zu Recht. Da wird mir plötzlich bewusst, dass es ja die Redewendung »das Interesse wecken« gibt. Vieles schlummert in uns, man kann es also wecken! Daher versucht Salameh, das Humorpotential durch Lachtests zu stimulieren und die Aufmerksamkeit auf das Lachverhalten zu richten. Die Items solcher Tests können dann auch der Projektion von Konflikten, Sorgen und Problemen dienen.

So hat Salameh unter anderem einen Test entwickelt, der durch Satzergänzungsaufgaben auf humorige Lebenserfahrungen aufmerksam machen kann. (S. 198ff.) Weiters hat er ein Formular entwickelt, das durch die Vervollständigung humorvoller Sätze die Humorproduktion anregt und die subjektive Auffassung von Komik widerspiegelt. Außerdem führt er einen von ihm entwickelten Humor-Einstellungstest zur Messung der persönlichen Humorneigung an. (S. 211ff.)


7. Schritt: Blockierende Einstellungen zu Humor und Lachen.

Viele Menschen betrachten Humor bloß als »Zuschauersport«. Dagegen fordert uns Salameh auf, die Tribüne zu verlassen, auf das Spielfeld zu gehen und im komischen Sport aktiv mitzuspielen. (S. 221f.) Salameh befasst sich dann ausführlich mit den Blockaden, die den Sinn für und die aktive Pflege von Humor oft sehr erschweren. Stichwortartig seien die wichtigsten Hindernisse angeführt: die Furcht, das Gesicht zu verlieren, die Sehnsucht nach absoluten Wahrheiten, das Tragen der Richter- und Zensorbrille, die Erwartung, von allen gemocht zu werden, die Entwertung von Humor und Lachen als kindisches Verhalten, die Verwechslung von Rolle und Identität, Perfektionismus, Scheinheiligkeit, Strenge und Spießigkeit. (S. 223-230) Die Grundursache ist eine tierisch ernste Lebensauffassung, denn es ist aufschlussreich, dass über die Dinge des Lebens, die für uns von größte Bedeutung sind, am meisten gelacht wird, nämlich über Angst, Sex, Selbstbild, Beziehungen und Tod.

Nach diesen allgemeinen Hindernissen für eine humorvolle Lebenseinstellung beleuchtet Salameh Formen und Wirkweisen des »destruktiven Humors«, die verletzen und kränken, zur Beschämung, Entwertung und zum Ausgelacht - werden führen. Er spricht von den »humorfeindlichen Zehn Geboten«. (S. 231) Vor allem Sarkasmus, rassistische und sexistische Einstellungen, Grobianismus und emotionale Grausamkeit haben im Bereich des therapeutischen Humors und des befreienden Lachens nichts verloren. Salameh zieht einen »scharfen Trennungsstrich« zwischen gesunde und destruktive Spielarten des Humors und des Lachens und stellt die Unterschiede in mehreren Tabellen dar. (S. 245ff.)

Hier wäre eine Differenzierung der komischen Gesellen und ihrer verschiedenen Funktionen wünschenswert gewesen. Denn moralische Verurteilungen (S. 237f.) beachten oft zu wenig die situative, gesellschaftliche und psychohygienische Funktion auch von sehr aggressiven Humorformen, die unter Umständen eine heilsame Bedeutung haben können. Denken Sie etwa an den beißenden Witz, der im Hitlerfaschismus ein Überlebensmittel sein konnte.

Deshalb bevorzuge ich die folgende Einteilung: Der Bereich des Komischen, also alles, was zum Lachen und Lächeln reizt, mit einer Vielzahl von Nuancen, - vom befreienden, wohlwollenden humorvollen Lachen bis hin zum tödlichen, zynischen Verlachen - kann in vier Phänomene gegliedert werden, in Spaß, Spott, Witz und Humor im engeren Sinn. Der Spaß steht der Vitalsphäre nahe und kann sehr deftig sein. Der Spott steht der Aggression und moralischen Kritik nahe und kann als Sarkasmus und Zynismus etwa diktatorische Systeme oder verlogene Ideologien entlarven. Der Witz steht dem Intellekt nahe und kann sehr blöde, aber auch sehr geistreich sein. Und der eigentliche Humor steht den Kräften der Liebesfähigkeit und der Lebensfreude nahe und ist mit wohlwollender Kritik verbunden, mit befreiendem und erlösendem Lachen. Natürlich gibt es Mischformen, etwa humorvolle, zynische oder derbe Witze.

* Einsichten und Ausblick: Salamehs Werk ist deshalb besonders wichtig, weil heute der Hauptstrom der Therapie und Psychoanalyse, pointiert gesagt, der »Pathologie« näher steht als der »Geburtsklinik«. Eine Freud-lose Psychoanalyse - ist das nicht komisch? Denn die herrschende Fixierung auf die »Leidensbiografie« führt dazu, die »Freudenbiographie« und ihr Heilungspotential zu vernachlässigen. Auch Günter Heisterkamp und Verena Kast weisen immer wieder auf diese Problematik hin. In dieser Hinsicht bedarf der allzu große Ernst im Leben und in der Therapie des Korrektivs der Heiterkeit, des Humors und des befreienden Lachens.

Wer dieses engagiert geschriebene und anregungsreiche Buch von Salameh mit der strengen Brille wissenschaftlicher Gründlichkeit liest, wird über Schwächen stolpern und das Wesentliche übersehen. Was der Philosoph Karl R. Popper über die Erkenntnistheorie schreibt, gilt ganz besonders für eine lebhafte, Humor und Lebensfreude fördernde Psychotherapie: »Ohne Leidenschaft geht es nicht, und schon gar nicht in der reinen Wissenschaft. Das Wort 'Wahrheitsliebe' ist keine bloße Metapher.«

Jonglieren im akademischen Begriffshimmel ist Salamehs Sache nicht. Er macht, bildlich gesprochen, auf die vielen bunten, duftenden Blumen auf der Wiese des Lebens, trotz aller Gewitter und Katastrophen, aufmerksam. Er hat Sinn für die lachende Sonne und ihre aufklärende und erheiternde Kraft. Und ich liebe die von Nietzsche bewunderte Kuh auf der Alm: Sie frisst und genießt, was ihr taugt. Sie ärgert sich niemals über Disteln und ungenießbares Zeug. Das übergeht sie einfach.
In Nietzsches ebenso tiefer wie heiterer Einsicht finde ich den Esprit von Salamehs Werk verdichtet ausgesprochen: »Seit es Menschen gibt, hat der Mensch sich zu wenig gefreut: Das allein, meine Brüder, ist unsere Erbsünde! Und lernen wir besser uns freuen, so verlernen wir am besten, anderen wehe zu tun und Wehes auszudenken.«