Eine Rezension von Alfred Kirchmayr (Wien).

 

    Hans Conrad Zander (2005):
    Darf man über Religion lachen? Eine Kreuzfahrt von Voltaire über Wilhelm Busch bis zu Joachim Kardinal Meisner.
    Kiepenheuer & Witsch. Köln.
    224 Seiten, Euro 8.90

Köstliches über Komik und Witz des Religiösen

Echter Humor und guter Witz werden immer aus Gegensätzen, aus widersprüchlichen Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen, geboren. Und es gibt nichts Widersprüchlicheres als Religion, wo Göttliches und Menschliches, Ideal und Realität, Himmel und Erde aufeinander stoßen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass im ernstesten Stand, im Klerikerstand, neben besonders ernsthaften, fanatischen und lachfeindlichen Typen, zugleich die kreativsten komischen Gesellen mit teuflischem Spaß und göttlichem Witz zu finden waren. Erasmus von Rotterdam war so ein ernstheiterer Humanist voll Selbstironie, sprühendem Witz und kräftigem Spott. (S. 20ff.) Und weil in der Religion die größten Widersprüche im Clinch liegen, zieht sie alle Arten von Spöttern an, liebenswürdige und hasserfüllte, geistreiche und geistlose, wie der Honig die Wespen.

Der Ex-Dominikaner-Mönch, Schriftsteller und Reporter Hans C. Zander führt uns mit Esprit und Sprachwitz als hoch gebildeter Reiseleiter durch die komisch-ernste Geistes- und Kulturgeschichte des Christentums. Er hat dabei eine besondere Beziehung zu Köln. Im Mittelalter wirkten dort die genialen Dominikaner Albertus Magnus und Thomas von Aquin, später fanatische Inquisitoren und großartige Humanisten. Der Kölner Witz und Karneval, die Eselsfeste im Mittelalter, trieben tolle und mutige Blüten. Heute entsteht dort aber auch so manche geistlose Comedy des WDR. Es gilt die These: »Wenn es einmal abwärts geht, dann ist nach unten keine Grenze«. (S.126ff.) Denn wenn das Lachen den Geist aufgibt, wird es schlicht geschmacklos und blöde. (S.141ff.)

Der Jesus des Neuen Testaments wird auch als gewitzter und schlagfertiger Provokateur betrachtet. (S. 33f.) Die von Paulus verkündete »Narrheit um Christi Willen« als Existential des Christentums äußerst sich in vielen »heiligen Narren« in der bunten Schar der Heiligen. Filippo Neri war ein Musterbeispiel provokanter und humorvoller Narrheit um Christi Willen. (S. 193ff.) Im Unterschied zum klassischen »klerikalen Witz« ist der heutige »klerikale Volkswitz« und »Gemeindewitz« vergleichsweise harmlos geworden. Ihm fehlt weithin der Biss. Dafür bringt Zander viele kurz kommentierte Beispiele. (S.154ff.)

Religion ist also wesenhaft komisch, weil sie »nicht von dieser Welt ist« und doch dieser Welt mit allen Lüsten nach Macht und vielem anderen verhaftet ist. Thomas von Aquin sagte es treffend: »In ihr lebt nicht allein die Lust der Tiere, sondern auch jene Lust, die wir mit den Engeln gemein haben«. (S. 216) Zander bringt es auf den Punkt: »Der Schöpfer dieser Welt muss ein wahrhaft göttliches Vergnügen haben an Kontrasten und an Gegensätzen, an Widersprüchen und an Streit«. (S. 53f.)

Deshalb tut der Religion Satire gut, deshalb braucht sie Witz und bedarf des Humors. Um dies zu demonstrieren, lässt Zander große Geister auftreten, fromme und fanatische, kritische und mutige Männer, Päpste und Kirchenväter, Boccaccio, Montaigne und Erasmus von Rotterdam, Martin Luther, Voltaire und Leon Bloy, George Bernhard Shaw und Heinrich Heine, aber auch Goethe und Wilhelm Busch, Sigmund Freud, Henri Bergson und Heinrich Böll. In dessen Werk »Ansichten eines Clowns«, einer ironisch-satirischen Zeitskizze, wird der real existierende Katholizismus Kölner Prägung auf die Schaufel genommen.

Wilhelm Busch, der die »Seele eines Malers« hatte, kannte die Stärken und Schwächen des Protestantismus. Seine köstlichen satirischen Geschichten und Cartoons nehmen diese kräftig auf die Schaufel. Aber die Tatsache, dass sich der Vater des modernen Cartoons von Bismarck für seinen Kulturkampf gegen den Katholizismus instrumentalisieren ließ, gefällt Zander nicht. (S. 107ff.)

Viel Vergnügliches wird von diesen gescheiten und witzigen Köpfen dargestellt, wissend und humorvoll analysiert und kommentiert. Das damit verbundene Lesevergnügen dient sowohl der Bewusstseinserweiterung als auch der Bewusstseinserheiterung. Ein köstliches Beispiel klerikaler Selbstironie: Als Kaiser Napoleon mit der Kirche ein Konkordat angestrebt hatte, verhandelte Kardinal Consalvi äußerst geschickt. Da sagte Napoleon verärgert: »Ist es Ihnen klar, Eminenz, dass ich imstande bin, Ihre Kirche zu zerstören?« - »Sire«, antwortete der Kardinal: »nicht einmal wir Priester haben das in achtzehn Jahrhunderten fertig gebracht!« (S. 148)