Die Glossen von...

Jean-Luc Wicki


Kennt Ihr den...?

Bitte nicht stören!
Warmduscher!
Die Rückkehr des Warmduschers!
Win-Win
Kristall und Erdhaufen

Jean-Luc Wicki machte sich als DRS3-Hitparadenmoderator einen Namen und ist heute die Morgenstimme von «Virus». Er ist Gründungsmitglied des Vereins humor.ch.


Kennt Ihr den...?

Eigentlich war es ein lustiger Abend, denn ich neulich mit ein paar Freunden bei einem Bekannten verbrachte. Das Essen war gut, die Getränke reichlich, die Unterhaltungen anregend, die Gäste gut gelaunt. Wahrlich eine passable Party. Bis der Gastgeber des Abends mit den allseits gefürchteten Worten «Kennt ihr diesen...» einen Witz erzählte: Ein Mann fährt auf einer kurvigen Bergstrasse bergwärts. Eine Frau kurvt zur gleichen Zeit auf derselben Strasse talwärts. In einer Haarnadelkurve treffen sich die beiden, die Frau ruft durch's offene Autofenster «SCHWEIN». Der Mann ruft verärgert «DU DUMME KUH» zurück und beide fahren weiter. Doch als der Mann die nächste Rechtskurve fährt, überfährt er ein Schwein, dass in der Mitte der Strasse steht! Die Stimmung sank in Sekundenbruchteilen um dutzende Prozentpunkte. Das von Schenkelklopfen begeleitete Lachen des Witzereissers verbesserte die Situation nur insofern, dass ihm so die peinliche Stille verborgen blieb. Das Fest hätte noch gerettet werden können, wenn der Witz nicht ein altes Naturgesetz ausgelöst hätte: Wer kann den besten Witz erzählen? Der Anfang machte folgender Scherz: Ein alter Mann sitzt weinend auf einer Parkbank. Von einem besorgten Mitbürger auf den Grund seiner Trübsal angesprochen, antwortet der Rentner, er habe eine Affäre mit einer wunderbaren, hübschen, blutjungen Frau. Warum er denn so traurig sei, fragt der Passant. Antworte der alte Mann: «Ich habe ihre Adresse vergessen!» Hahahaha. Und dieser Witz wurde in seiner Qualität tatsächlich noch unterboten: Ein Betrunkener schwankt eine Strasse entlang, einen Fuss auf dem Trottoir, einen Fuss im Strassengraben. Ein Polizist hält ihn an und sagt: «Sie sind ja völlig blau!» Und der Betrunkene antwortet erfreut: «Und ich dachte, ich hätte ein Stück meines Beines verloren!» Naja, dieses fragwürdige Exemplar eines humorigen Machwerkes öffnete natürlich Tür und Tor für Scherze über Minderheiten, alte Kalauer neu erzählt («Ein Skelett kommt in eine Bar untd bestellt ein Bier und einen Wischmop!»), Blondinenwitze und anderer deftiger Klamauk unter der Gürtellinie. Es wurde also doch noch ein amüsanter Abend!

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Bitte nicht stören!

Ich liebe Hotels! Die Frage ist nur: Weshalb lieben sie mich nicht zurück? Noch während des kräftezerrenden Fussmarsches vom Bahnhof zum Hotel beginnt meine Hassliebe zu den Gaststätten zu blühen: Der Hotelprospekt verspricht meist vollmundig, die Unterkunft liege nur wenige Fussminuten vom Bahnhof entfernt. Was faktisch stimmt, die Herberge liegt sogar in Sichtweite der Bahnstation. Leider verläuft dazwischen eine mehrspurige Stadtautobahn, deren Überquerung unmöglich ist und somit einen energieraubenden Umweg zur Folge hat. Kaum schleppe ich mich mit letzter Kraft in die Eingangshalle des Hotels gesellt sich zur Schwere des Gepäcks nun einer dieser massiven Hotelschlüsselanhänger aus Metall, die nicht nur hässlich sind, sondern vor allem ziemlich unpraktisch. Wenigstens baumelt daran ein konventioneller Schlüssel und keine dieser Key-Karten, deren korrekter Gebrauch ein abgeschlossenes Technologie-Studium voraussetzt. Das Hotelzimmer ist meist eine Freude. Die Hotelbetreiber legen viele nette Dinge ins Zimmer, die man nach dem Aufenthalt als Souvenir mitnehmen kann: kleine Seifen, Duschhauben, niedliche Shampoo- und Duschgel-Flacons, lustige Minibar-Fläschen. Aber auch Aschenbecher, Flaschenöffner, kuschlige Handtücher. Ärgerlich nur, dass die Hotelbesitzer offensichtlich unter Paranoia leiden und deshalb den Fön oder die geschmackvollen Kunstddrucke fest in den Wänden festnageln. Doch die Hotelmanager sind mir so oder so suspekt: Wie können diese Menschen das Frühstück zwischen sieben und zehn Uhr servieren lassen? Mit solchen Zeitvorgaben gäben sie gute Altersheimleiter ab, aber als Dienstleister für Menschen mit Ferien und der erquicklichen Aussicht, einmal ausschlafen zu können, taugen sie unumstößlich nichts. Andrerseits ist mit Ausschlafen eh nix, dafür sorgt das übereifrige Hotelputzpersonal. Unter Missachtung des «Bitte nicht stören»-Schildes an der Türe lärmen sie vor der Türe herum und lassen aber lautstark vernehmen, dass die verdammten Langschläfer eine ordentliche Arbeit schlichtweg verunmöglichen! Zum Glück ist die Check-Out-Zeit aber so früh angesetzt, dass man als Gast schon gar nicht auf den Gedanken kommt, richtig auszuschlafen. Und begleicht man dann die Rechnung, fragen die Hotelangestellten erwartungsvoll, ob der Aufenthalt genehm gewesen sei und verleihen der Hoffnung Ausdruck, man möge bald zurückkehren. Eine Frage, die ich jeweils nachdrücklich affirmiere: Denn wo bekommt man sonst für soviel Geld soviel Ärger?

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Warmduscher!

«Du bist ein Warmduscher!» sagte kürzlich ein Bekannter zu mir. Warmduscher? Sofort durchforschte ich mein Gedächtnis, kam zum Schluss, dass mir dieses Attribut bislang nicht angedichtet wurde und reihte dieses Wort freudig in das Repertoire der mir zugesagten Eigenschaften (von Arrogant bis Zyniker). Allerdings war ich leicht verunsichert, wusste nicht, ob ich beleidgt, amüsiert oder geschmeichelt sein sollte. Dass der besagte Satz von einem vielsagenden, hämischen Grinsen begleitet wurde, gab mir auch keinen Aufschluss über den wahren Charakter des Charakteristikum «Warmduscher». Der hart recherierende Journalist, der ich bin (ein selbst formuliertes Merkmal), fragte ich also nach, was denn ein Warmduscher genau sei. «Einer der warm duscht!» Ach so! Also ein Weichling, ein Zärtling, ein Waschlappen, ein Weichei, ein Jämmerling. Sofort outete ich mich als tatsächlicher Warmduscher, kalte Duschen vertrage ich wahrhaftig nicht, mir stockt dabei der Atem, ein atemlosen «Ah..ah...ah...ah» entweicht meiner Kehle und ich flüchte panisch und bar jeglichem Hygienegedanken vor dem eiskalten Wasserstrahl. Und ich bin nicht der einzige! Bei einer kleinen Meinungsumfrage erfuhr ich, dass sich kalte Duschen nicht wirklich grosser Beliebtheit erfreuen. Unbeliebter sind nur morgendliche Blicke in den Spiegel, Stehpinkler, Verkehrsampeln, Pantomimen in Fussgängerzonen, Strassenmusikanten jenseits von Strassen (z.B. in Restaurants) oder kleine Meinungsumfragen. Vor allem männliche Mitstreiter bekannten sich mir gegenüber als Warmduscher. Postsensible Männer, die auch gerne mal weinen, für malerische Sonnenuntergänge schwärmen und diese schwärmerisch malen, die männliches Verhalten gerne diskutieren, ob schönen Blumensträussen in Verzückung geraten und stolz Birkenstock-Sandalen tragen (weil die zwar nicht gut aussehen, aber sehr bequem sind). Männer, die im Body Shop auch Damenprodukte auf die zarte Haut streichen, die auch mal begeistert eine Frauentheatergruppe besuchen und morgens lieber einen Grüntee trinken, als einen starken Kaffee (ist schlecht für den Teint!). Männer, die bei Lungenzügen husten müssen, die unangenehme Pickel eitel mit Deckstift übermalen, die die TV-Sendung «Arena» nicht schauen können, weil da immer so doll gestritten wird und die sich nicht einer warmen Dusche mit einer ph-neutralen Bodylotion eincremen. Jaja, Warmduscher sind cool!

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Die Rückkehr des Warmduschers!

Der regelmässige Leser dieser Kolumne weiss: Ich bin ein Warmduscher! Da mir dieses Geständnis auch noch Monate nach Erscheinen viel Goodwill entgegenbringt, gestehe ich mutig, dass ich nicht nur ein Warmduscher, sondern auch ein Fussföner bin. Jawoll! Nach meiner allmorgendlichen Dusche steige ich tropfnass aus meiner Duschkabine und rubble mich mit einem flauschigen Frottée-Tuch ab. Ich spüle dann mit Antiplaque-Gurgelflüssigkeit dreissig Sekunden meinen Mund. Danach drücke ich von Zahnärzten empfohlene Zahnpasta auf meine elektrische Bürste. Die längeren Borsten säubern die Zahnzwischenräume und massieren das Zahnfleisch, während die kürzeren die Beisserchen richtig schön polieren. Danach greife ich zur Gesichtsreinigungslotion mit Tiefenwirkung und trage sie auf, um die Poren zu öffnen. Mit einer erfrischenden Minz-Maske auf dem Gesicht, die ich zehn Minuten einwirken lasse, suche ich mir im Kleiderkasten das Outfit für den bevorstehenden Tag aus und laufe dann, barfuss, mehr rutschend als gehend im mein Badezimmer zurück, um die Gesichtsmaske mit einem Grüntee-Minze-Gesichtswasser zu entfernen. Ich lasse währendessen das Wasser heiss ins Lavabo fliessen, ein kleines Frottée-Tuch saugt sich darin mit dem Wasser voll und ich presse dieses für zwei Minuten auf mein Antlitz, um die widerspenstigen Barthaare für die bevorstehende Rasur weicher zu machen. Anschliessend trage ich reichlich Moisturizer und mit einem Pinsel die Rasiercreme darüber auf. Durch diese Prozedur verdunstet das Wasser weniger schnell und die Reibung zwischen Haut und der Rasierklinge wird gemildert. Nach der Rasur tupfe ich mein Gesicht mit einem alkoholfreien, antibakteriellen Toner auf, um die irritierte Haut zu normalisieren. Anschliessend rubble ich mein Haar trocken, benutze eine Lotion, die die Kopfhaut strafft und föne das Haar etwas, um ihm Halt und Fülle zu geben. Und bevor ich den Stecker des Föns ausziehe, halte ich den Heißluftapparat an meine Fusssohlen, um dann mit absolut trockenen Füssen in meine Socken zu steigen. Und dann sprühe ich mich mit feinstem Parfüm und Deodorant ein, die nicht nur mich gut duften lässt, sondern auch den Geschmack von angebrannter Hornhaut im Badezimmer verdeckt.

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Win-Win

«Wenn du bei deinen Lesern die Credibilty erhalten willst, brauchst Du eine hohe Awareness!» sagt ein Freund aus der PR-Branche, nickt dazu instruktiv, nippt an seinem irischen Bier und prüft den Halt seines hippen Rosschwanzes (und verkörpert dabei das Klischees eines kreativen Menschen aus der Werbebranche). Die Worte Credibility und Awareness klingen in meinem Kopf nach. Ich kenne die Worte, doch ich begreife sie nicht. Ein erbarmungsvolles Lächeln schlägt mir entgegen, mein kreativer Kollege klärt mich auf und erinnert mich dabei an einen Kleinklassenlehrer: «Es ist ganz easy: Vertrauen und Glaubwürdigkeit - Credibilty - ist der Anfang von allem, mein Lieber!» (Welch kreative Herablassung) «Eine wichtige Voraussetzung für Credibilty ist Awareness - im Bewusstsein der Menschen präsent sein! Alles klar?» Durch diese Belehrung in meiner Awareness gestärkt, affirmiere ich vielsagend und hoffe, meine Credibilty nicht vollends verloren zu haben. Im Bewusstsein, einen anstrengenden Abend vor mir zu haben, bestelle ich noch ein schäumendes Bier, mein Gegenüber hingegen schäumt über vor Glück, sein Know-how an einen Unwissenden weitergeben zu können. Mit strahlenden Augen erklärt er mir: «Schau, das beste Tool, um ins Bewusstsein seiner Target-Group zu gelangen ist: Emotions auslösen und die message so oft wie möglich zu penetrieren!» Das letzte Wort assoziert mein Verstand mit Unanständigem, doch ich verkneife mir einen kreativen Scherz zu diesem Thema. Denn die Angelegenheit ist ernst: «Strebenswert ist in jedem Fall eine Win-Win-Lösung!» Aha, ein Japanisches Management-Tool? Flugs ernte ich ein schallendes Lachen mit dem Kompliment (?), ich sei ein Riesen-Witzbold, hahaha! Wie sollte ich wissen, dass eine Win-Win-Situation noch vor kurzem als Synergie-Effekt in aller kreativen Munde war, wenn sich doch schon niemand mehr an die gleichbedeutende Formulierung «zum beiderseitigen Vorteil» erinnern vermag? «Wenn du beispielsweise dieses Gespräch in eine Kolumne packst, schaffst du dir eine typische Win-Win-Lösung!» Diese Message löst in mir Emotions aus, die mich penetrant ein weiteres Bier bestellen lassen - es ist höchste Zeit, meine Awareness zu trüben!

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Kristall und Erdhaufen

«Mit deinem Feng Shui stimmt was nicht!» Einmal mehr höre ich die Worte meines intellektuellen Nachbarn Severin und verstehe sie nicht! « Feng Shui», doziert Severin, sei chinesisch. Aus dem Wechselspiel der polaren Kräfte von Ying und Yang entstehe bekanntlich die Lebenskraft, das Chi. «Und Feng Shui lehrt Dich, diese Einflüsse zu erkennen und sie zu einem harmonischen Ausgleich zu bringen», veranschaulicht Severin eifrig. Und dann doppelt er mit einem Blick durch meine Wohnung nach: «Hier staut sich haufenweise schlechte Energie...das ist wie eine Verstopfung!» Und das in meiner Wohnung! Um das Chi besorgt, bitte ich Severin um Rat. Mit gespreizten Fingern beginnt er sogleich, meine Eingangstür zu examinieren. Die Türe sei das Wichtigste, vor allem in unserem Haus, das nachweislich eine äusserst sensible Persönlichkeit besitze (meint er damit etwa unseren grobschlächtigen Abwart? Habe ich diesen Mann bislang unterschätzt?). Ekstatisch schwafelt Severin etwas vom Energieschleier, der draussen meine Aura andockt (das erklärt die mysteriösen Geräusche, die ich nächtlich im Treppenhaus höre!). Severin deutet auf die Türe und weiss: «Links wohnt der glücksbringende grüne Drache!» Da bin ich froh, mit Untermietern hat man sonst doch nur Probleme. Meister Severin fragt mich nun, ob er sich die Toilette anschauen dürfte. Na klar, entgegne ich, und er betritt ekstatisch mein Badezimmer um sogleich entsetzt zurückzuweichen. «Du musst deinen WC-Deckel UNBEDINGT schliessen!» Naja, so schlimm ist der Geschmack auch nicht. Doch bevor ich das zur Sprache bringen kann, klärt mich Severin auf, dass offene Toiletten das ganze gute Chi direkt in die Kanalisation saugen. Des weiteren stellt Severin auf seinem Feng-Shui-Check in meiner Wohnung fest, dass mein eckiger Esstisch praktisch pausenlos Giftpfeile abstrahlt. Einige Stunden später erkenne ich meine Wohnung kaum wieder. Die Möbel stehen schräg in den Räumen, Windspiele und Kristalle, Spiegel und farbige Tücher sorgen nun für einen vorteilhaften Chi-Move. Und das ist gut so, auch wenn mich der Erdhaufen im Korridor ein bisschen stört (sonst sammle sich dort zu viel schwächendes Chi!). PS: Gestern hat sich Severin am umgestellten Esstisch gestossen und eine Ecke des Tisches hat sich qualvoll in seine Leistengegend gebohrt. Offensichtlich stimmt was mit seinem Feng Shui nicht!

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